Gemeinsam online

Wie können lokaler Handel und Städte zusammenarbeiten, um in Zeiten des stetig wachsenden Online-Handels wettbewerbsfähig zu bleiben? Vor allem lokale Shoppingplattformen und digitale Services werden in diesem Zusammenhang immer wieder kontrovers diskutiert. Der Workshop „Gemeinsam online“ des Einzelhandelslabors Südwestfalen in Hagen zeigte rund 25 interessierten Händlern und Wirtschaftsförderern, welche Möglichkeiten es gibt, kooperativ, die Herausforderung Digitalisierung anzugehen.

Nur wenige lokale Einzelhändler nutzen bisher das Internet als Vertriebskanal

Nur 22 % der heimischen Händler haben einen eigenen Webshop. Davon betreibt nur knapp die Hälfte den Shop professionell. Ähnlich sieht es bei dem Vertrieb der Produkte über Drittanbieter-Plattformen (Amazon, Ebay, Rakuten, Hitmeister etc.) aus. Gerade mal 9 % der südwestfälischen Händler nutzen diese Online-Kanäle fachkundig, um ihre Waren über das Internet zu verkaufen. Im Laden selbst bieten nur 2 % der Händler qualifizierte digitale Verkaufslösungen Lösungen an (Quelle: Stand der Digitalisierung im inhabergeführten stationären Einzelhandel, Südwestfalen, CCEC-Studie, 2016). „Gerade die Auseinandersetzung mit dem digitalen Vertrieb ist für die Händler unabdingbar“, erklärt Prof. Dr. Peter Weber vom Competence Center E-Commerce (CCEC). „Hier lernen die Händler am besten, wie das Internet funktioniert. Wie stelle ich Produktfotos ein? Woher bekomme ich das Bildmaterial und die Produktinfos? Wie erstelle ich informative und ansprechende Texte? Wie sieht der Bezahlprozess aus? Wie gehe ich mit Retouren um?“, so Weber weiter. „Es hat sich gezeigt, dass die Händler, die über das Internet verkaufen, auch bei den Themen digitales Marketing und digitale Services, online besser aufgestellt sind als die reinen Offline-Händler“, ergänzt Weber.

 

Bedeutung der digitalen Vertriebskanäle (Quelle: CCEC)

Warum nutzt der lokale Einzelhandel den E-Commerce nicht?

Als Ursache für die geringe Verwendung digitaler Vertriebskanäle nennen die befragten Händler folgende Punkte:

  • Mangel an Ressourcen
  • fehlendes Know-How
  • Unsicherheit
  • Komplexität der Digitalisierung

Wenn für den einzelnen Händler die Barriere des Online-Verkaufs zu hoch ist, könnten vielleicht Kooperationen mit anderen Händlern aus der Stadt ein Lösungsansatz sein, das Thema Digitalisierung gemeinsam zu meistern.

Prof. Dr. Peter Weber (l.) und Lars Bollweg (r.) berichten darüber, dass sich der lokale Einzelhändler noch scheut, seine Waren über Online-Kanäle zu vertreiben. Foto: CCEC.

Lokale Shoppingplattformen als Erfolgsmodell?

Eine mögliche Kooperationsform ist die lokale Shoppingplattform. In den letzten 4 Jahren ist die Anzahl dieser Vertriebsplattformen rasant gestiegen. Alleine in Deutschland gib es aktuell laut Competence Center E-Commerce 255 Plattformen in 176 Städten. Angefangen von einfachen Händlerplattformen bis hin zu komplexen Transaktionsplattformen wie „hierbeidir“, Atalanda oder Lokaso (hier finden Sie eine Übersicht aller bekannten Plattformen in Deutschland). Bisher ist die Anzahl der Online-Verkäufe über diese Plattformen gering. Laut Aussagen der beteiligten Händler kommen aber durch die Plattformen mehr Kunden in die Innenstadt und ins Ladenlokal. Verantwortlich dafür könnte der sogenannte ROPO-Effekt (Research Online, Purchase Offline) bzw. das Webrooming sein. Viele Personen suchen und informieren sich im Internet, um dann anschließend die Ware im Ladenlokal zu kaufen. Durch die lokalen Shoppingplattformen erfahren die Leute, dass es die gesuchten Produkte im eigenen Ort oder in der Nachbarstadt gibt, wo sie das Produkt dann ausprobieren und direkt kaufen können. Bisher gibt es aber keine fundierten Erkenntnisse, dass die Plattformen tatsächlich zu einer höheren Passantenfrequenz führen.

Roman Heimbold (Atalanda) sieht lokale Shoppingplattformen eher als "ROPO-Maschinen". Foto: CCEC.

Digitalisierung ist nicht nur Online-Shop und lokale Shoppingplattform

Dass das Bauchgefühl nicht immer mit der Realität übereinstimmt zeigt auch die Kundennutzungsstudie des CCEC. Die Plattform-Besucher kommen nicht, wie oft gedacht, aus der näheren Umgebung, sondern wohnen meist über 50 km entfernt (60%). Die Plattformen bieten daher Potenzial zur Erweiterung des Kundenstammes über den lokalen Bereich hinaus. Überraschend ist auch die Tageszeit an denen die Plattformen besucht werden. Über 45% der Besucher kommen zwischen 10 und 18 Uhr auf die lokalen Shoppingplattformen (d. h. während der normalen Laden-Öffnungszeiten), überwiegend an Werktagen.

Ob sich die lokalen Shopping-Plattformen doch noch zu einem Erfolgsmodell für den Standort und die Händler entwickeln ist aktuell nicht abzuschätzen. Damit dies gelingt müssen Händler die Plattform mehr in ihr Kommunikationskonzept einbinden. Laut CCEC-Studie verlinken z. B. die beteiligten Händler nur in den wenigsten Fällen von ihrer eigenen Website auf die Shoppingplattform (< 10 %), so wird die Chance den eigenen Kunden einen digitalen Verkaufskanal anzubieten verpasst.

Aktuell gibt es in Deutschland 255 lokale Shoppingplattformen (Quelle: CCEC)

Ein funktionierender Marktplatz muss eine Win-Win-Situation für alle Teilnehmer darstellen und deshalb eine kritische Masse auf Anbieter- und Nachfrageseite generieren. Deshalb ist es umso wichtiger, von Beginn an eine ausreichende Zahl lokaler Händler für den Marktplatz zu gewinnen, damit das Angebot für die ersten Kunden auch groß genug ist. Enttäuschte Kunden besuchen solche Marktplätze erfahrungsgemäß kein zweites Mal.

Digitalisierung ist nicht nur Online-Shop und lokale Shoppingplattform

Das Einzelhandelslabor hatte zur Veranstaltung in Hagen eine Vielzahl von Referenten eingeladen. Roman Heimbold von Atalanda (u .a. Online City Wuppertal und Webkaufhaus Attendorn) bestätigte nochmals die Erfahrung, dass lokale Shoppingplattformen aktuell eher als ROPO-Maschinen funktionieren und weniger als Online-Verkaufskanal.

Michael Ulrich von der Firma Spazebaze stellte den Teilnehmern eine Plattform-Lösung vor auf der Kunden die Geschäfte virtuell in 3D-Ansicht besuchen können. So könnte man alle Geschäfte einer Stadt vom Sofa aus betreten. Es wäre sogar theoretisch möglich, dass sich der Kunde beim virtuellen Rundgang aus den Regalen des Ladenlokals Produkte aussuchen und diese in einen Warenkorb legen könnte.

Wie das Vor-Ort-Shopping ebenfalls digital unterstützt werden kann, präsentierte Herr Dietrich Dehmer von Kaufnah. Auf seiner Plattform können Kunden sehen, welche Fachhändler es vor Ort gibt. Darüber hinaus können Kunden eine Produktanfrage über das Portal starten. Regionale Fachhändler geben dann online ein entsprechendes Angebot ab und der Kunde kann sich daraufhin entscheiden bei welchem heimischen Händler er das Produkt kauft.

Auch Chatbots (computerbasierende Dialogsysteme) können den lokalen Kauf fördern. Stephan Stratmann stellte den Teilnehmern Paula POTTbot vor. Paula bündelt alle Infos zum Ruhrgebiet und navigiert den User per Textdialog durch den „Pott“. Ein Nutzer, der die App Paula POTTbot auf seinem Smartphone installiert hat, könnte unterwegs Paula theoretisch fragen, wo man in der Nähe eine „Currywurst“ essen oder eine „Zahnbürste“ kaufen kann. Der Chatbot navigiert den Nutzer dann zum entsprechenden Imbiss bzw. Geschäft.
Letztendlich gibt eine Vielzahl von Online-Lösungen mit denen Händler im Verbund den Vor-Ort-Verkauf fördern können.

Welche Punkte man bei gemeinsamen digitalen Projekten berücksichtigen sollte, stellte Jörg Lehnerdt von der BBE Handelsberatung anhand des Modellprojektes „Digitale Einkaufsstadt Bayern“ vor. Bei dem Projekt wurden mittelständische Händler ausgewählter Modellkommunen (10.000 bis 50.000 Einwohner) bei der Entwicklung örtlicher digitaler Strategien betreut.

Die 10 wichtigsten Erfolgsfaktoren für Ihre örtliche Digitalstrategie*

  • schmieden Sie ein breit angelegtes Bündnis der Digitalisierung (Stadt, Handel, Wirtschaftsförderung, Gastronomie, Dienstleister, Tourismus, IHK, Presse etc.)
  • gewinnen Sie erfolgreiche Online-Unternehmen als Vorbilder
  • sorgen Sie für eine professionelle Projekt- und Prozesssteuerung (evtl. mit externen Beratern)
  • schaffen Sie Vertrauen durch ein individuelles, lokales Konzept (kreieren Sie eine unverwechselbare Stadtmarke)
  • stellen Sie die Finanzierung sicher (dieser Punk sollte früh geklärt sein)
  • leisten Sie sich einen Digitalmanager als „Kümmerer“ vor Ort, der die Händler betreut und u. a. den City-Manager entlastet
  • motivieren Sie Ihre Gewerbetreibenden
  • qualifizieren Sie Ihre Gewerbetreibenden
  • kennen und bedienen Sie Ihre Zielgruppe
  • digitales tun und kommunizieren

* Quelle: „Digitale Einkaufsstadt Bayern“

Jörg Lehnerdt (BBE) nennt zehn Punkte, die bei gemeinsamen digitalen Projekten berücksichtigt werden sollten

Einzelhandelslabor Workshop "Gemeinsam online": Impressionen aus Hagen

Fotos: Competence Center E-Commerce (CCEC)