Stationärer Einzelhandel und Digitalisierung passt das zusammen? Um die Herausforderung der Digitalisierung im heimischen Einzelhandel anzugehen, wurde das Projekt „Zukunftslabor Einzelhandel Südwestfalen 2020“, kurz Einzelhandelslabor Südwestfalen, ins Leben gerufen, welches durch die Europäische Union und das Land NRW gefördert wird. Die beteiligten Projektpartner IHK Arnsberg, SIHK zu Hagen, Universität Siegen, Fachhochschule Südwestfalen und die private Hochschule BiTS Iserlohn möchten auf der Ortsebene den Status Quo analysieren und nach Lösungsvorschlägen suchen, wie sich der Einzelhändler das veränderte Kundenverhalten zu Nutze machen kann. Übergeordnetes Ziel des Projektes ist es, den stationären Einzelhandel mit Workshops und Wissensvermittlung für eine eigene Cross- oder Omni-Channel-Strategie langfristig zu stärken.
Einzelhandelslabor Südwestfalen
Verändertes Konsumentenverhalten und steigender E-Commerce
Mit der Digitalisierung hat sich das Konsumentenverhalten stark verändert. 85 Prozent der Deutschen surfen mittlerweile laut Statistischem Bundesamt im Internet, 51 Prozent sind mit Tablet oder Smartphone mobil im Netz unterwegs. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch die Zahl der Online-Käufe steigt. Die Vorteile für den Kunden liegen auf der Hand: bequemes Einkaufen von überall aus, rund um die Uhr, ein globales Produktangebot, die Möglichkeit Angebote, Testergebnisse oder Kundenbewertungen zu vergleichen, mit einem Klick die gewünschte Ware einkaufen und zeitnah direkt nach Hause liefern lassen. Die Folge ist ein starker Anstieg des E-Commerce: Laut Institut für Handelsforschung (ifh) in Köln stieg der Online-Handel allein in Deutschland von 1 Mrd. EUR im Jahr 2000 auf 46 Mrd. EUR in 2015.
Der Online-Boom und seine Auswirkungen für den stationären Einzelhandel in Südwestfalen
Der stationäre Einzelhandel bekommt das schmerzhaft zu spüren: Bei nahezu gesättigten Märkten im Handel führt der steigende E-Commerce zwangsläufig zu einer Umsatzverdrängung zu Lasten der Händler vor Ort. Das ifh Köln erwartet Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent in Südwestfalen in den nächsten fünf Jahren. Dies hat für die Versorgungsqualität in der stark dezentralisierten Region erhebliche Auswirkungen. Auch die negativen Effekte für die allgemeine Standortattraktivität – etwa mit Blick auf Fachkräfte – sind bereits heute spürbar.
Cross-Channel als Chance für den stationären Einzelhandel
„Der mittelständische, inhabergeführte Einzelhandel hat in weiten Teilen noch kein probates Mittel gefunden, sich in diesem neuen Wettbewerbsumfeld zu orientieren. Oft fehlen Zeit und Wissen, neue Vertriebs- und Kommunikationskonzepte zu entwickeln, in die auch das Internet integriert ist“, erläutert IHK-Handelsexperte Thomas Frye. „Der Großteil der Kunden kauft längst Vertriebskanal übergreifend, fast 40 Prozent der stationären Einkäufe geht laut einer ECC-Studie mittlerweile eine Online-Information der Kunden voraus.“ Bei den jungen Smart-Phone-Nutzern (zwischen 16 und 25 Jahren) sind es sogar 54,7 Prozent, die sich vor ihrem Einkauf im Ladengeschäft in Online-Shops informieren.
Nur knapp 10 Prozent der Kunden lassen sich im stationären Geschäft beraten bevor sie die Ware dann im Internet kaufen.
Die Mehrheit der Konsumenten kauft heute selektiv – mal online, mal in stationären Geschäften. Für die einzelnen Phasen des Einkaufes nutzen sie PC, Tablet, Smartphone oder das Ladenlokal in unvorhersehbarer Art und Weise, immer abhängig von der Situation, dem Kaufanlass oder dem Produkt. Diesem Cross-Channel-Informations- und Kaufprozess müssen die Einzelhändler mit einer auf ihr Geschäftsmodell abgestimmten Strategie begegnen, um die Kunden mit Hilfe des Internets in die Geschäfte zu locken.
Projektphasen Einzelhandelslabor Südwestfalen
Das Projekt „Zukunftslabor Einzelhandel Südwestfalen 2020“ ist offiziell am 1. April gestartet und läuft über drei Jahre. Zu Beginn des Projektes werden die beteiligten Universitäten und Hochschulen in einer Analysephase das Kundenverhalten im Ladenlokal und den Digitalisierungsgrad der Einzelhändler in Südwestfalen untersuchen. Die Analyse wird vorrangig in 9 Modellstädten (Arnsberg, Bad Sassendorf, Geseke, Hagen, Iserlohn, Lippstadt, Lüdenscheid, Menden und Möhnesee) der 27 teilnehmenden Kommunen stattfinden. Anschließend beginnt im Herbst die Sensibilisierungsphase. Dort werden in dezentralen Veranstaltungen die Ergebnisse der Analyse präsentiert und wenn möglich erste daraus resultierende Handlungsempfehlungen aufgezeigt. Zu Beginn 2017 werden dann Workshops stattfinden, bei denen gemeinsam mit den Einzelhändlern und Kommunen Lösungsansätze erarbeitet werden. In der darauf folgenden Qualifizierungsphase sind entsprechende Weiterbildungsangebote für Unternehmer und Mitarbeiter geplant. Abschließend folgt eine Wiederholungsphase in komprimierter Form.