Ein Roboter als Kundenberater?

Ist der Kunde überhaupt bereit für die Beratung 4.0 im Einzelhandel?

Die Diskussion ob technische Einkaufsberater in naher Zukunft den Arbeitsplatz des „klassischen“ Verkäufers überflüssig machen, reißt aktuell nicht ab. Auch wenn dieser Schritt aus Sicht des Arbeitnehmers das blanke Entsetzen hervorruft, liegen die Gründe hierfür klar auf der Hand. Etwas provokativ sollte daher die Frage erlaubt sein, ob die Gewissheit, auf ein quasi unendliches Spektrum an Produktinformationen zurückgreifen zu können, nicht dem onlineerprobten Kunden heute in seinem Einkaufsverhalten eher entgegenkommt, als die Interaktion mit einer tatsächlichen Person: Warum sollten daher all die Vorteile, die der Kunde im Onlinemarkt erfährt, wie das Wegbleiben unzureichender oder unfreundlicher Beratung, nicht auch auf den Offlinemarkt übertragbar sein?

 

Point of Sale (POS) Technologie ist keine Zukunfstversion

Stellen Sie sich vor, Sie betreten das Ladenlokal (Point of Sale) und werden am Eingang bereits von einer digitalen Beratungseinheit persönlich begrüßt, um auf Basis Ihrer letzten Einkäufe und der beliebtesten Produkte der vergangenen Wochen einen individuellen Warenkorb vorgeschlagen zu bekommen. Über einen digitalen Spiegel und in Interaktion mit dem personalisierten Berater, welcher ganz spezifisch auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist, erfolgt dann die Kaufentscheidung. Auch der Bezahlvorgang erfolgt ohne lästiges und zeitraubendes Anstehen, sondern direkt über die Beratungseinheit. Eine weit entfernte Zukunftsvision? Weit gefehlt. Zwar ist man heute noch nicht soweit, dass die einzelnen Medien untereinander Kommunizieren oder geschweige denn, dass ein Kunde während seines Einkaufsprozesses an die Hand genommen wird. Allerdings beginnen innovative Einzelhändler vermehrt dem Kunden die Möglichkeiten der kommenden Jahre verstärkt aufzuzeigen.

 

Roboter Pepper berät Kunden im Modehaus Lott (Fotoquelle: Stephan Britten, IHK Arnsberg)

Uni Siegen testet Akzeptanz von künstlicher Intelligenz auf der Ladenfläche

Einer dieser Vorreiter ist das Modehaus Lott, Modellhändler des Einzelhandelslabors Südwestfalen, in Lippstadt. Dort wurde in den vergangenen Monaten die Wirkung einer Roboterdame namens Pepper auf der Einkaufsfläche (Point of Sale) getestet. Auch wenn diese aktuell nur einen Teil der Fähigkeiten eines tatsächlichen Verkäufers leisten kann, stehen dem Kunden doch einige sehr spannende Features zur Verfügung. Möchte der Kunde mehr über das Modehaus, seine verschiedenen Angebote oder die umfangreichen Serviceleistungen erfahren, so steht Pepper sowohl über die Spracherkennung als auch das angebrachte Display für Fragen bereit. „Wir sehen Pepper, die ständig weiterenzwickelt wird, vorrangig als Informationsmodul und Entertainer bei uns im Haus, und nicht als zukünftigen Ersatz für das Verkaufspersonal“, erklärt Gerd Ziems, Geschäftsführer des Modehauses Lott.

Im Zuge dessen beschäftigte sich das Einzelhandelslabor (Universität Siegen) mit der Frage, welchen Eindruck Pepper als potentielle Beratungs- und /oder Informationseinheit auf die Kunden macht und welche Auswirkungen dieser auf die Wahrnehmung des gesamten Ladenlokals hat.

Wie reagieren Kunden auf die künstliche Verkaufsberaterin? (Fotoquelle: Lott)

Pepper als direkte potentielle Beratungshilfe

Wenn es darum geht, Pepper als konkrete, unabhängige Beratungseinheit zu verstehen, fallen die Vorstellungen der Kunden sehr verhalten aus. Die Studie hat sich daher der aktuell sehr sensiblen Fragestellung gewidmet, ob die für eine gute persönliche Beratung notwendigen persönlichen, aber auch privaten Daten mit Pepper geteilt werden würden, wenn sich hieraus ein konkreter Beratungsmehrwert ergibt. Dabei wird deutlich, dass es spürbare Schwierigkeiten gibt persönliche Informationen, wie die Körpermaße, Hobbies oder Informationen über die letzten Einkäufe, weiterzugeben. Die Sorge, dass diese Daten am Ende an der falschen Stelle landen, wo der Kunden keine Handhabe mehr hat, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Ob eine Beratung ohne Information allerdings durchführbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Noch drastischer sieht es aus, wenn es um private Daten, wie Konto- oder Adressinformationen geht. Auch die Vorstellung von einer derartigen technischen Einheit aktiv beraten zu werden ist heute noch stark eingeschränkt.

Über 40 % der befragten Kunden haben eine "generelle" negative Einstellung gegenüber POS-Technologien. Auf der anderen Seite begrüßen knapp 40 % den Einsatz von digitalen Medien zur Verkaufsunterstützung im Ladenlokal (Quelle: Uni Siegen, Kundenbefragung Modehaus Lott).

Pepper als indirekte potentielle Beratungshilfe

Pepper ist heute bereits in der Lage auf Informationen aus der Onlinewelt zuzugreifen und diese auch wiederzugeben. Ob diese Fähigkeit beim Kunden auf Anklang stößt, wurde schon häufig mit überschaubarem Erfolg getestet. Es zeigte sich aber, dass fast 40% der Befragten neuere Technologien, wie ein Tablet als Beratungsunterstützung oder ein In-Store-Kiosk-System, auf der Verkaufsfläche generell als eine gute Idee erachten. Auch ältere Kunden begutachteten Pepper mit viel Interesse. Wichtig für ein Ladenlokal ist allerdings auch, dass sich aus markenpolitischer Perspektive die Einbindung einer solchen Einheit positiv auf das Image des gesamten Geschäftes auszahlt. Positiver Weise stellte sich heraus, dass über ein Drittel der Kunden den innovativen Charakter dieses kleinen Helfers gut mit dem allgemeinen Image des Modehauses zusammenbringen konnten. Ein weiteres Drittel stand diesem noch relativ neutral gegenüber. Auch wenn diesen Werten eine gleichgroße Anzahl an Kunden negativ gegenübersteht, bleibt festzuhalten, dass der erste Kontakt mit derartigen Medien nur in den seltensten Fällen zu Begeisterungsstürmen führt. Akzeptanz als auch Vertrauen braucht Zeit und gerade wenn es um den Einkaufsprozess geht, sind nur wenige bereit, sich direkt auf Experimente einzulassen. Umso positiver ist es, dass das südwestfälische Modehaus diesen Schritt gewagt hat und bereits im Herbst einen zweiten Anlauf mit Pepper unternimmt. Aus diesem Grund stellte die Studie im nächsten Schritt die Frage nach einer allgemeinen Sicherheit im Umgang mit Pepper. Wenig überraschend fiel vor allem der jüngeren Generation der unmittelbare Kontakt sehr leicht. Sie probierten begeistert und gespannt minutenlang die zahlreichen Funktionen von Pepper aus. Insgesamt zeigt sich über alle Altersgruppen hinweg, dass keine pauschale Abneigung existiert, sodass ein weiterer Einsatz von Pepper, gerade mit Blick auf die Stabilisierung der Akzeptanz, Sinn macht.

Pepper (Fotoquelle: softbankrobotics.com)

Der konsequente Einsatz einer derartigen Beratungseinheit ist auf Basis dieser Studie noch weit entfernt. Dennoch zeigt sich, dass das generelle Interesse und der Umgang mit digitalen Unterstützungsmedien am POS selbstverständlicher wird, was bei einer schrittweisen Implementierung sehr von Vorteil ist. Auch die Tatsache, dass die Integration in dem Modehaus und die Sicherheit mit Pepper zu interagieren nur bei einer Minderheit der Befragten als negativ empfunden wird, passt dazu. Es bleibt abzuwarten, wo dieser Trend hingeht. Eines scheint allerdings bereits an dieser Stelle sicher: Produkte wie Pepper werden aus dem Einzelhandelsalltag der Zukunft nur sehr schwer wegzudenken sein. Es heißt jedoch sich weiterhin mit diesem Thema zu beschäftigen. Bis dahin gelten aber gerade Einzelhändler wie das Modehaus Lott als innovative Vorreiter.

 

Noch sind die Kunden nicht bereit mit Pepper auch private und persönliche Informationen zu teilen (Quelle: Uni Siegen, Kundenbefragung Modehaus Lott).