Wenn der Kunde mehr weiß als der Händler

Wie kann die Digitalisierung die Beratungskompetenz der Händler vor Ort unterstützen?

Immer mehr Online-Kunden konzentrieren sich bei ihren Auswahlentscheidungen im Online-Shop heute stärker auf die Sterne und Zweizeiler, die Lieschen Meier in der Online-Produktbewertung zu ihrem neuen Staubsauger schreibt, als auf konkrete Informationen der Hersteller oder Fachhändler.

Viele mittelständische Fachhändler betonen ihre Beratungskompetenz als besonderen Mehrwert für ihre Kunden. Immer häufiger beobachtet man jedoch, dass die Kunden durch vorherige Internetrecherche bessere und mehr Detailinformationen mitbringen als diejenigen, über die das Verkaufspersonal im Laden verfügt. Das verwundert zunächst nicht, denn ein Mensch ist keine Datenbank. Dennoch zeigt es, dass einige Händler im stationären Handel an ihrer Beratungskompetenz nachjustieren müssen.

Wie können sich Händler gegen den Informationsvorsprung der Kunden wappnen? Foto: Fotolia, (c) Tylor Olson

Wirken Verkäufer kompetenter, wenn sie POS-Technologien für die persönliche Beratung nutzen?

Wie aber bringt man Online-Kunden zurück in das Ladenlokal, wie hält man vorhandene Kunden und wie vermittelt man ihnen im Verkaufsgespräch das Gefühl einer authentisch(er)en, aber vor allem über alle Kanäle hinweg, kompetent(er)en Beratung? Eine Möglichkeit, dies zu tun, liegt im Einsatz von digitalen Systemen (POS-Technologie) der Beratungsunterstützung im Laden, die dem Verkaufspersonal an die Hand gegeben werden. Wenn digitale Systeme zur Beratungsunterstützung eingesetzt werden, empfindet der Kunde eine höhere Servicequalität. Das hat auch eine Studie der Universität Siegen gezeigt.

Kompetenz als Bindeglied zwischen Kunde und Händler

Die Kompetenz einer Person lässt sich u. a. in Wissen, Fähigkeiten und (persönliche) Charaktereigenschaften unterteilen. Diese Kompetenzen spielen für das Verkaufspersonal im Laden eine besondere Rolle, um erfolgreich zu sein. Eine wichtige Frage in diesem Kontext liegt darin, ob der Einsatz von Technologien zur Verkaufsunterstützung, also z.B. Tablet-PCs oder Instore-Screens und interaktiven Planungsflächen die wahrgenommene Kompetenz des Verkaufspersonals erhöht oder senkt. Wirken also Verkäufer kompetenter, wenn sie POS-Technologien in den Beratungsprozess einbeziehen? Oder bekommen die Kunden das Gefühl, dass die Verkäufer mangelnde Kompetenz, mangelndes Wissen und fehlende Informationen durch den Einsatz von Technologien ausgleichen müssen und somit keine Eigenkompetenz aufweisen?

Das verlängerte Verkaufsregal (Smart Tray) als digitale Beratungsunterstützung am Point of Sale (POS). Foto: Stephanie Erben, SIHK zu Hagen

Forschung deckt Mehrwerte für den Einzelhandel auf

Zur Untersuchung der Zusammenhänge wurden von der Uni Siegen 202 Kunden eines Möbelfilialisten befragt. In der Filiale wird eine digitale Planungsfläche zur Verkaufsunterstützung am POS genutzt, an der Verkäufer und Kunden unterschiedliche Produkte kombinieren und eine an die individuellen Bedürfnisse der Kunden angepasste Lösung finden können. Ganz konkret bietet diese Technologie dem Kunden die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Verkaufspersonal an mehreren stationären Computern eine 3D-Raumgestaltung mit den Produkten des Händlers vorzunehmen. Neben solchen Kunden, bei denen während des Beratungsgesprächs diese Technologie genutzt wurde, wurden auch solche befragt, bei denen kein Einsatz der Technologie erfolgt ist.

Insgesamt zeigt sich, dass der Einsatz der beschriebenen Beratungsunterstützungstechnologie bezogen auf die Mitarbeiterkompetenz bei den Kunden nahezu durchgängig positiv aufgenommen wurde. Mit Blick auf eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit fallen die Ergebnisse allerdings weniger eindeutig aus.

Unter dem Strich kann festgehalten werden, dass die allgemein positive Wahrnehmung der digitalen Technologie im Rahmen des Verkaufsprozesses eine Vielzahl an Möglichkeiten bietet, sich auf dem Markt einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen.

Ergebnisse zur Wirkung des Einsatzes von Technologien der Verkaufsunterstützung am Point-of-Sale (Quelle: Uni Siegen)

Der persönliche Kontakt hat weiterhin einen hohen Stellenwert

Im täglichen Geschäft werden vor allem mit Blick auf die zwischenmenschliche Interaktion konkrete Handlungsmöglichkeiten deutlich. Denn es zeigt sich, dass nicht nur die  wissensbasierte Kompetenz positiv wahrgenommen wird, sondern vor allem zwischenmenschliche Aspekte wie Kommunikationsfähigkeit, Sympathie aber auch die Beratungsfähigkeit im Kontext des Technologieeinsatzes und die Empathie des Mitarbeiters eine Rolle spielen. Insbesondere wird deutlich, dass die Technologien nicht die persönliche Kommunikation im Verkaufsgespräch zurückdrängen, sondern die Kommunikationsfähigkeit wesentlich positiv beeinflusst wird. Dies bedeutet, dass der persönliche Kontakt während der Beratung weiterhin einen großen Stellenwert einnimmt. Dies zeigt auch, dass Einzelhändler sich nicht nur auf die positiven Auswirkungen eines Technologieeinsatzes konzentrieren, sondern die persönliche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Kunde hervorheben sollten.

Ein unzureichend qualifiziertes Beratungsgespräch kann negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung des gesamten Verkaufspersonals und damit auch auf das Image des Händlers und seiner Geschäfte haben. Deshalb muss er seine Unternehmensstrategie auf den qualifizierten Umgang mit den ausgewählten Medien ausrichten.

Auch über den eigentlichen Verkaufsprozess hinaus, können Händler durch die Nutzung neuer Technologien ihr Image positiv beeinflussen. Schafft der Händler es seine Leistungen und Innovationsfähigkeit nach außen zu kommunizieren, prägt sich bei der Kundschaft das Bild eines modernen, flexiblen Händlers ein. Wichtig ist, dass er bei diesem Prozess seine Mitarbeiter von Beginn an mitnimmt.

Die klaren Vorteile der Digitalisierung bieten dem Online- und stationären Handel an vielen Stellen die Möglichkeit, Synergieeffekte zu nutzen. Ganz explizit zeigt sich innerhalb dieser Studie, dass das Vorantreiben eines digitalen Beratungsgespräches am POS nicht nur Fach- und Marktwissen des Verkaufspersonals anreichern kann, sondern vor allem auch, dass die zwischenmenschliche Komponente nicht verloren geht.